Siegfried. Der Nibelungen 1. Teil:
Siegfried gehört zu den bedeutendsten Sagenfiguren der nordeuropäischen und germanischen Sagenwelt. Das Nibelungenlied ist ein Heldenepos, in dem die Geschichte dieses ungestümen Helden in beeindruckender Weise erzählt wird. Mit seiner sagenhaften Stärke erschlägt Siegfried die Söhne König Nibelungs und erobert dessen ungeheuren Schatz. Er tötet dabei auch einen Drachen und badet in seinem Blute, um sich mit einer undurchdringlichen Hornhaut unverwundbar zu machen. Wenn da nicht das schicksalhafte Lindenblatt gewesen wäre …
Das Nibelungenlied beschreibt eine feudale mittelalterliche Gesellschaft, in der die wesentliche Triebfeder für das Handeln der Akteure die Erhaltung und Ausweitung von Macht ist. Gleichzeitig ist es eine komplexe Parabel des Zusammenhangs zwischen Lug, Betrug und Rache und den sich daraus entwickelnden katastrophalen Folgen. Indem Siegfried mit Hilfe der Tarnkappe Brunhild für Gunter besiegt, setzt er eine Entwicklung in Gang, die durch Ränkeschmiede und Verrat zum Untergang des Helden führt.
Um den Stoff für Kinder und Jugendliche zugänglicher zu machen, wurden zwei Figuren (Gernot und Silberling) in das Stück eingefügt, die die sinistre und düstere Stimmung des Stoffes durch heitere und komödiantische Elemente auflöst. Auch wurden zentrale Motive weggelassen oder verändert. Der eigentliche Betrug liegt hier in der Vortäuschung des Sieges Gunters über den Drachen. Hier kommen die hierarchischen, feudalistischen Strukturen des frühen Mittelalters mit ins Spiel. Der strahlende Siegfried wird von Brunhild mit keinem Gedanken als möglicher Bezwinger des Drachen angesehen. Als vermeintlicher Vasall Gunters und somit als weit unter ihr stehender „Stallknecht“ ist das in Brunhilds Denken völlig ausgeschlossen. Die am Ende vollzogene Doppelhochzeit stellt daher für sie eine unüberwindliche Kränkung dar.
(Text: Roland Schröter-Liederwald)