Bühne neu

Zeig dich auf der Bühne

Bühnenerfahrung stärkt die Persönlichkeit

„Die ganze Welt ist Bühne…“ Dieses Zitat von William Shakespeare lässt sich natürlich in vielerlei Hinsicht deuten. Fest steht: Auch wenn man das Leben nicht als große Inszenierung sieht, so gibt es doch in allen Phasen unseres Lebens immer wieder Situationen, in denen wir uns zeigen, in denen wir präsent sein müssen – und das nicht nur beim Vorstellungsgespräch.

Sich zeigen und präsent sein, das lernen unsere Schülerinnen und Schüler – wenn man es genau betrachtet – vom ersten Schultag an: Schon zur Einschulungsfeier gehen sie durchs Blumentor auf unsere große Bühne und genießen die Aufnahme in die Schulgemeinschaft. Ein einzigartiger Moment, als neue Klassengemeinschaft so beachtet zu werden, so präsent zu sein!

Sich konzentriert zu zeigen – und das, was man im Unterricht erarbeitet hat – gehört auch zu unseren Monatsfeiern, bei denen alle Klassen regelmäßig Ausschnitte aus ihrem Schulalltag präsentieren: Lieder, Musikstücke, Eurythmie, Rhythmisches, Sportliches oder auch Literarisches.

Ebenso erfahren die Schülerinnen und Schüler schon ab der Unterstufe, was es bedeutet, Vorträge zu erarbeiten und diese anschließend – wie der Name halt sagt – vorzutragen. Anfangs vor Mitschülern und Eltern, später dann immer komplexer schließlich auch auf der Bühne vor einer großen Zuhörerschaft. Das gibt nicht nur dem Erarbeiteten ein besonderes Gewicht, es übt auch in der Präsentation.

Und natürlich: Was wäre eine Bühne ohne Theater! Sich zeigen, konzentriert an einer Rolle arbeiten und diese dann zur Aufführung bringen – all das gehört zu den Acht- und Zwölftklass-Spielen (und Theaterprojekten in manch anderen Klassenstufen) an unserer Blote Vogel Schule dazu. Plus eine weitere wichtige Komponente beim gemeinsamen Theaterspiel: Die gruppendynamische Entwicklung ist während der wochenlangen Vorbereitungen unter theaterpädagogischer Anleitung tagtäglich spürbar. Fragt vielleicht zu Beginn mancher „Wer bekommt die Hauptrolle?“, so wird bald klar: Der Star ist die Gemeinschaft, jeder zählt bei einem solchen Projekt! Ein Bewusstsein, aus dem heraus jeder umso stärker und präsenter wird.

Bühne erfordert Konzentration

Dem Inhalt ein Gesicht geben, einen Charakter erarbeiten, der nicht der eigene ist, in das Wesen eines anderen schlüpfen und dieses dann überzeugend zur Darstellung bringen, ohne sich selbst zu verlieren, erfordert konzentrierte Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Rolle, die man mit Leben erfüllen will. Vor allem aber macht es Spaß (und kostet Anstrengung), wenn Schüler und Lehrer in einen gemeinsamen kreativen Prozess kommen.

Neben der künstlerischen Arbeit haben die Klassenspiele eine enorme Bedeutung für das soziale Leben: Es muss jeder gänzlich präsent sein und nur im Mittun aller kann sich der Erfolg entwickeln. Deshalb bilden die Acht- und Zwölftklassspiele seit vielen Jahrzehnten einen festen und wesentlichen Bestandteil des pädagogischen Konzepts an allen Waldorfschulen. Im Unterschied zu staatlichen Schulen, an denen inzwischen das Wahlfach „Darstellendes Spiel“ eingeführt wurde, ist die Teilnahme bei uns für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend – was für manchen zur ungeahnten Entdeckung der eigenen künstlerischen Fähigkeit und damit zu einer ganz besonderen Herausforderung führt.

Gabriel Schunck ist Regisseur und Theaterpädagoge. An der Blote Vogel Schule in Witten hat er schon zahlreiche Theaterprojekte betreut und auf die Bühne gebracht.

Gabriel Schunck

Regisseur und Theaterpädagoge der Blote Vogel Schule

„Die Fähigkeiten sich empathisch mit der Rolle zu verbinden, sich kognitiv komplexe Zusammenhänge und Texte zu erschließen und physisch der praktischen, körperlichen Arbeit zu widmen, sind gleichsam die Notwendigkeit als auch das Ziel der theaterpädagogischen Arbeit. Individuelle Reife und Kraft, gemeinschaftliche, soziale Stärke und Vertrauen sowie Inspiration und Eifer bleiben die sichtbaren und spürbaren Ergebnisse dieser Projekte auf Jahre hin.“