Neue Privatschulen-Statistik: Waldorf bei 11,2 Prozent Schüleranteil

Da dürften sich heute die Mitarbeiter vom Statistischen Bundesamt gefreut haben, nachdem sie ihre Zahl des Tages veröffentlicht hatten. Denn schon kurz darauf war die Meldung ein dickes Thema bei Spiegel online. Warum? Klare Sache, natürlich wieder mal ein Bildungsthema. Kernaussage von destatis: „81 Prozent mehr private Schulen in Deutschland seit 1992“. Das ist schon ein Pfund! Wollen Eltern, die ihre Kinder auf eine Privatschule schicken, sich vom Rest der Bevölkerung abgrenzen? Sind Privatschüler per se Kinder aus reichen Familien? Natürlich geht der Spiegel solchen Fragen direkt nach – ohne sie allerdings beantworten zu können. Immerhin findet sich eine Zahl, mit der sich wenigstens so ein bisschen das Streben nach Segregation untermauern lässt: „In Ostdeutschland gehen gut 23 Prozent aller Schüler aus Akademikerelternhäusern auf eine Privatschule, in Westdeutschland sind es knapp 17 Prozent.“ Na bitte. Die Akademikerelternhäuser sind es also. Aber warum? Vermutet wird unter anderem (zumindest unterschwellig), dass Elternhäuser sich irgendwie mehr Leistung und Erfolg versprechen. Die Frage nach einer Pädagogik, die kindgerecht ist? Keine Zeile wert. Aber genug gewettert…

Die Zahl des Tages stammt aus dem aktuellen Bericht Bildung und Kultur / Private Schulen (Fachserie 11 Reihe 1.1) des Statistischen Bundesamtes. Als interessierte Waldorfeltern könnte man nun ja auf den Gedanken kommen nachzuschauen, wo Waldorfschulen da im Vergleich stehen, wie hoch ihr Anteil in Deutschland und und wer eigentlich die anderen Privatschulen sind, die da ebenfalls unterrichten. Ganz so einfach ist das allerdings leider nicht.

Insbesondere was Waldorfschulen und Waldorfschüler angeht, ist der Bericht von destatis in einer Sache konsequent: Bei allen Prozentangaben steht da „100“. Was hat die Statistiker da nur geritten? Eine Antwort bleiben sie schuldig – bestenfalls unterstellen wir ihnen einfach mal, dass sie der Meinung sind, an Waldorfschulen wird immer alles zu 100 Prozent gemacht. Aber schulterzuckend weitergehen und den Statistiker einen guten Mann sein lassen? Das wäre zu einfach… Hier nun also ein Versuch, die ziemlich intransparente Statistik des Schuljahres 2017/18 für Privatschulen in Deutschland aufzudröseln, um mehr über die Anteile von Waldorfschülern und Waldorfschulen zu erfahren.

Die Kernaussagen von destatis

Vorab noch ein Hinweis auf die Vorgehensweise von destatis: Das Bundesamt fasst unter Privatschulen in Deutschland sowohl allgemeinbildende Schulen wie auch Berufsschulen zusammen. Dies sind die Kernaussagen:

„Rund jeder 11. Schüler in Deutschland besucht eine Privatschule: Von den gut 10,8 Mio. Schüler/innen in Deutschland im Schuljahr 2017/18 besuchte rund jeder 11. eine Privatschule ( 1,0 Mio.).“

„81% mehr private Schulen in Deutschland seit 1992: Im Schuljahr 2017/18 gab es 5 839 allgemeinbildende und berufliche Privatschulen in Deutschland, das sind 81% mehr als im Schuljahr 1992/93. Es ist ein anhaltender Zuwachs privater Schulen im gesamten betrachteten Zeitraum zu beobachten. Die Anzahl der Privatschulen erhöhte sich sogar dann noch weiter, als die Gesamtzahl aller Schulen aufgrund der drastisch gesunkenen Geburtenzahlen Ende der 90er Jahre verringert wurde. So sank von 2000 bis 2017 die Zahl der Schulen um 19%, die Anzahl der Privatschulen stieg jedoch in demselben Zeitraum um 43%.“

„Von den rund 757 Tausend Schüler/innen an privaten allgemeinbildenden Schulen wurde im Schuljahr 2017/18 der größte Teil (35,7%) in Gymnasien unterrichtet, gefolgt von Grundschulen (13,0%), Realschulen (12,5%) und Freien Waldorfschulen (11,2%).“

Wenn wir also tatsächlich daran interessiert sind, wo Waldorfschulen in Deutschland stehen, müssen wir die privaten allgemeinbildenden Schulen betrachten. Wie viele dies sind, findet sich und er folgenden Aussage der Statistiker:

„Von allen privaten Schulen in Deutschland (5839) zählten im Schuljahr 2017/18 62% (3635) zu den allgemeinbildenden Schulen und die restlichen 38% (2204) zu den beruflichen Schulen.“

3635 private allgemeinbildende Schulen in Deutschland im Schuljahr 2017/18. Na bitte, geht doch!

Die nackten Zahlen zu Waldorfschulen

Private allgemeinbildende Schulen in Deutschland 2017/18
insgesamt 3635
Schüler insgesamt 757.263

Entwicklung der privaten allgemeinbildenden Schulen in Deutschland:
1992: 1991
2009: 3527
2013: 3634
2017: 3635

Entwicklung der Klassen der privaten allgemeinbildenden Schulen in Deutschland:
1992: 18.699
2009: 29.055
2013: 31.253
2017: 32.877

 

Freie Waldorfschulen in Deutschland 2017/18
insgesamt 226
Schüler insgesamt 85.029

Entwicklung der Waldorfschulen in Deutschland:
1992: 145
2009: 206
2013: 214
2017: 226

Entwicklung der Klassen an Waldorfschulen in Deutschland:
1992: 1722
2009: 2501
2013: 2660
2017: 2749

 

Und der Anteil der Waldorfschulen an Privatschulen?

Um den Anteil der freien Waldorfschulen an allen privaten und öffentlichen allgemeinbildenden Schulen in Deutschland zu errechnen, müssen wir ein wenig mit den Zahlen arbeiten, die uns das Statistische Bundesamt zur Verfügung stellt. Wie bereits erwähnt, steht Waldorf da immer auf 100 Prozent… Wenn wir aber ein wenig zurückrechnen, dann kommen wir auf folgendes Ergebnis:

Laut destatis haben die 757.236 Privatschüler einen Anteil von 9,1 Prozent an allen (private und allgemeinbildende Schulen besuchende) Schülern. Macht also insgesamt 8.321.274 Schüler an allgemeinbildenden Schulen. Demnach machten die insgesamt 85.029 Waldorfschüler des Jahres 2017/18 einen Anteil von gut 1 Prozent aus.

Bezogen auf die 757.236 Schüler, die im Jahr 2017/18 eine private allgemeinbildende Schule besucht haben, hatten Waldorfschüler einen Anteil von 11,23 Prozent.

Und noch diese Zahl: Der Anteil der Waldorfschulen an allen privaten allgemeinbildenden Schulen betrug zuletzt 6,22 Prozent.

Und wer sind die anderen Privatschulen?

Bleibt schließlich noch die Frage: Wer sind eigentlich die anderen privaten allgemeinbildenden Schulen in Deutschland? Auch da lassen uns die Statistiker des Bundes ziemlich im Regen stehen. Montessori, Werkstatt oder andere freie Schulen – keinerlei Angaben seitens destatis. Einzige Gewissheit ist, dass konfessionelle Schulen einen ziemlich hohen Anteil haben. Allgemeinbildende Schulen in evangelischer und katholischer Trägerschaft machen nach letzten belastbaren Zahlen einen Anteil von 32,1 Prozent an allen Privatschulen aus. Der Rest bleibt aktuell wohl nur Spekulation – ob nun Elite-Internat, Abendrealschule oder so manch andere Schulform in freier Trägerschaft.